Es braucht eine Lobby für die Natur
Lobautunnel: Folgen für die Zukunft der Stadt Wien, das Umland, den Nationalpark und das Klima

Warum Experten die Verhinderung des Lobautunnels fordern
Der Wiener Naturschutzbund lud am 15. Februar 2021 zum Online-Vortrag „Lobautunnel: Folgen für die Zukunft der Stadt Wien, das Umland, den Nationalpark und das Klima“ ein. Über 200 Interessierte folgten der Einladung.
Die renommierten Experten Prof. Ing. Dr. Hermann Knoflacher, Prof. Dr. Bernd Lötsch und Prof. Dr. Josef Lueger forderten eindringlich, den Ausbau der S1 mit einem Tunnel unter dem Naturschutzgebiet Lobau zu verhindern.
Mehr Verkehr und mehr Treibhausgase
Österreich hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bereits die höchste Dichte an Autobahnen und Schnellstraßen pro Einwohner. Studien belegen, dass ein Ausbau dieser Verkehrswege nur sehr kurzfristig eine Entlastung bringt und dann zu einem starken Anstieg des Autoverkehrs führt.
Eine Wirksamkeitsuntersuchung aus dem Jahr 2015 zeigt, dass mit dem geplanten Projekt des Ausbaus der S1 jährlich mindestens 100.000 Tonnen CO2 durch den Autoverkehr mehr emittiert werden. Neben den Gesundheitsbelastungen für die Bevölkerung durch Lärm, Feinstaub und Abgase steht das Projekt damit im krassen Widerspruch zu den Klima- und Nachhaltigkeitszielen.
Diese Untersuchung weist auch nach, dass statt der S1 in Wien und Umland dringender Nachholbedarf für den öffentlichen Verkehr besteht, um eine wesentliche Entlastung sowohl der A23 als auch im gesamten Stadtgebiet und Umland zu erreichen.
Mehr Zersiedelung, Abwanderung von Betrieben
Erfahrungen zeigen, dass Betriebe mit den Autobahnen ins Umland außerhalb von Wien ausweichen, die Menschen ziehen mit. Das führt zur Zersiedelung der Landschaft, Verlust an Betrieben und Arbeitsplätzen in Wien und zu neuen Verkehrsproblemen.
Der Tunnel: die ungünstigste Variante für den Nationalpark
Von den 2003 untersuchten Szenarien zum Südostraum Wien wurde von der ASFINAG die teuerste (Projektkosten: EUR 1,9 Mrd.) und für den Nationalpark Donauauen ungünstigste Variante gewählt. Sie führt mit einem 8,2 km langen Tunnel quer durch die Lobau. Ein Tunnel, der 1,6 km länger wäre als der Tauerntunnel.
Die Kosten
Neben den direkten Projektkosten sind mögliche Strafzahlungen für das Verfehlen der Klimaziele anzusetzen. Prof. Dr. Lueger erwartet außerdem, dass die verschiedenen Probleme und Unabwägbarkeiten aufgrund der Geologie des Untergrundes zu Verzögerungen und damit zu einer deutlichen Erhöhung der Projektkosten führen könnten.
Schäden für Flora und Fauna, Verlust der Artenvielfalt
In der Lobau findet man eine große Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten, viele davon gefährdete Arten. Der Flussauen-Nationalpark Donauauen fungiert als „Grüne Lunge“ der Region. Unter diesem sensiblen Augebiet sollen zwei Tunnelröhren mit je ca. 15 m Durchmesser führen, das ist lt. Prof. Dr. Lueger „an der Grenze der derzeitigen technischen Machbarkeit“.
Der renommierte Geologe kritisiert Mängel in den Gutachten der Umweltverträglichkeitsprüfung und verweist auf die fehlende state-of-the-art Verifizierung der Grundwasser-Simulationsmodelle. So befürchtet er eine Grundwasserabsenkung im Nationalpark, die zu einer wesentlichen Störung des Au-Systems und einem deutlichen Rückgang der Artenvielfalt im Nationalpark führen würde.
Es braucht eine Lobby für die Natur
Prof. Dr. Knoflacher brachte es auf den Punkt: was die Prioritäten betrifft muss man sich anschauen „where the money goes“. Während der Naturschutzbund ausschließlich auf Spenden angewiesen ist, finanziert sich die ASFINAG durch milliardenschwere staatsgarantierte Anleihen. Daher braucht es die Bündelung aller engagierten Kräfte, um gegen die Realisierung dieses Projektes aufzutreten. Es braucht eine Lobby für die Natur. Wie es der Naturschutzbund treffend formuliert: „Naturschutz ist auch Menschenschutz“. Und dabei geht es angesichts der massiven Eingriffe dieses Projektes auch um die nachkommenden Generationen.
Die Veranstaltung zum Nachhören im Detail:
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